Klasse 3

Ein neuer, wichtiger Lebensabschnitt durchzieht das Leben in der dritten Klasse. Eine kleine Episode mag dies verdeutlichen. Eben ist der Gitarrenunterricht abgeschlossen. Das Kind macht sich mit der Gitarre in der Hand auf den weiten Heimweg von einem Stadtteil zum anderen. Oftmals ist es diesen Weg gegangen, zuerst mit der Mutter, dann alleine, aber heute macht sich plötzlich ein starkes Gefühl der Angst in seinem Inneren breit: „Was ist, wenn ich den Weg jetzt vergesse und nicht mehr weiß, wo ich abbiegen muss?“ Mit größter Anstrengung und Konzentration wird nun jeder Schritt gesetzt, aufmerksam geschaut, Ampeln überwunden und zuletzt mit tiefem Aufatmen die bekannte Straße innerlich begrüßt. Vor der Haustüre angekommen, schießen die Tränen in die Augen: Endlich!

Im Alter von ungefähr neun Jahren erleben die Kinder das eigene, noch unsichere, höchst verletzbare Ich plötzlich gegenüber der fremd gewordenen, nicht mehr vertrauten Außenwelt. Das Paradies der ersten Kindheit wird für immer hinter sich gelassen. Zum Glück bleibt es nicht dabei! Freudig nehmen wir die Aufgaben des Lehrplanes zu Hilfe und können mit der Ackerbau-, Hausbau- und Handwerkerepoche eine Brücke zur Welt hin schaffen. Auf’s Neue bilden sich Interesse, Liebe und Vertrauen zum Weg des Menschen auf der Erde und das heißt: in den eigenen Weg. Die Bilder des Erzählteils, die von der Schöpfungsgeschichte ausgehend die Menschheit auf ihren ersten Wegen begleiten, unterstützen dies.

Wie tat es uns gut im Herbst bei der Ernte in Uhlsdorf auf dem Guidohof helfen zu dürfen. Ebenso erfüllend war die Woche im Schulgarten, in der wir Schritt für Schritt, begonnen beim Putzen des Pfluges, über das Pflügen und Eggen, bis hin zum Aussäen des Kornes unser eigenes Feld bestellten. Auch das Kennenlernen der Urberufe z. B. des Schmieds, des Bäckers, des Schusters, des Tischlers lässt die Kinder sich neu und freudig mit der Welt verbinden. Erwartungsvoll schauen wir auf unsere  Hausbauepoche am Ende des Schuljahres. Mögen die äußerlich aufgerichteten Wände mit dem Dach darüber dann wie eine Befestigung aller innerlich vollzogenen Schritte sein.