Waldorf digital?
von Tina Mulholland
Digitalisierung – es ist eines der großen Schlagworte unserer Zeit. Dabei mag ich diesen Begriff in unserem Zusammenhang gar nicht so sehr. Digitalisierung, das klingt nach Rechnungen einscannen – oder nach Akten in Excel-Sheets umwandeln. Es geht ja aber um viel mehr, sowohl für die Gesellschaft als Ganzes als auch für die schulische Bildung. Viele Experten sprechen hier umfassender von der digitalen Transformation oder dem Weg zur Informationsgesellschaft, auf dem wir uns befinden. Und ich glaube, in diesem größeren Rahmen sollten wir auch das sehen, was in den letzten Wochen und Monaten an unserer Schule passiert ist, auch wenn es zunächst nur den Anschein von „mehr Technik“ macht.
BigBlueButton – die Säule für das aktuelle Schulleben
Nun soll es heute dennoch vordringlich um genau diese neuen technischen Möglichkeiten an der Schule gehen, denn hier gibt es wirklich eine Menge zu berichten. Nachdem im Schuljahr 2019/20 – im Zuge der ersten Corona-Welle – bereits vereinzelt Lehrerinnen und Lehrer Videokonferenzsysteme eingesetzt hatten, kam diese Form des (Online-)Unterrichts ab November 2020 immer stärker zum Einsatz. Noch bis Ende des Jahres nutzte man vor allem den vom Freistaat Sachsen eingerichteten Dienst schullogin mit dessen Implementierung des Webkonferenzsystems BigBlueButton. Hier traten um die Jahreswende jedoch vermehrt Probleme auf, der Dienst war oft überlastet, ebenso wie die Lern- und Kommunikationsplattform LernSax, deren Einsatz an der Schule im Mai 2020 begonnen hatte.
Die Schule kann sich glücklich schätzen, mit dem IT-Partner Computer Center Werner (CCW) und vor allem dessen Mitarbeiter Konstantin Lohmann einen engagierten Experten an ihrer Seite zu wissen. In puncto Webkonferenzen begann CCW zunächst mit der Einrichtung von Jitsi, einer freien Software, die vor allem für Besprechungen der Gremien und Lehrerkonferenzen als sinnvoll schien. Für den Unterricht in Zeiten der Schulschließungen etablierte sich dann jedoch ab Januar dieses Jahres ein eigens für die Schule aufgesetztes BigBlueButton-System. Es läuft auf eigenen bzw. angemieteten Servern und dabei bislang nahezu ohne nennenswerte Ausfälle oder Störungen.
Insgesamt 39 Nutzer – vor allem Lehrerinnen und Lehrer – betreiben aktuell über 150 Online-Räume. Täglich wird unterrichtet (z.T. über 130 Nutzer gleichzeitig), es werden aber auch Lehrerkonferenzen, die Darstellung von Jahresarbeiten, Elternabende, Sprechstunden, Treffen der Verwaltung und öffentliche Info-Veranstaltungen abgehalten. Nicht zu vergessen ist der Kita-Bereich, wo interne Weiterbildungen, wie etwa mit der Vereinigung der Waldorfkindergärten oder auch Konferenzen mit anderen Kindergärten möglich sind. Es scheint, als sei BigBlueButton aus technischer Sicht die breiteste Säule, um das Schulleben bei der mangelnden – und täglich vermissten – räumlichen Nähe weiter so lebendig wie möglich zu halten.
Öffentliche Förderung – ohne sie geht nix
Der „DigitalPakt Schule“ des Bundes bringt unserer Einrichtung eine sechsstellige Summe. Hinzu kommen bzw. kamen weitere öffentliche Fördermittel durch den „Landeszuschuss Corona“ (August 2020) sowie für Lehrer-Notebooks (voraussichtlich Mitte 2021). Auf alle Investitionen, die damit verbunden sind, können wir an dieser Stelle nicht eingehen. Ein großer und herzlicher Dank an die verantwortlichen öffentlichen Stellen und Entscheider darf jedoch nicht fehlen!
Der Digitalpakt zielt im Wesentlichen auf die Verbesserung der digitalen Infrastruktur. Hier sind die schnelle Internetanbindung der Schule und die Verbindungsmöglichkeiten innerhalb der Gebäude zuvorderst zu nennen. Eine Zusammenarbeit mit der eins energie in sachsen GmbH & Co. KG ermöglichte in den letzten Monaten eine erhebliche Verbesserung der Anbindung. Mittlerweile ist zudem schnelles (und abschaltbares) WLAN im gesamten Oberstufengebäude vorhanden. Bei Bedarf kann der WLAN-Zugang zudem in den Räumen der Mittelstufen-Klassen verfügbar gemacht werden, ebenso im Schulklub sowie in den Klassenzimmern im Container. Auch die Parzivalschule und die Kita Katharinenstraße sind bereits ans schnelle Netz angebunden – in diesem Fall über Mobilfunk, da eine Anbindung über Kabel bzw. Glasfaser nicht möglich ist. Weiterhin steht eine Kooperation mit dem Freifunk Chemnitz e.V. kurz bevor, um beispielsweise kostenfreies und sicheres Internet bei Schulveranstaltungen außerhalb des Unterrichts (Adventsbasar u.ä.) anbieten zu können.
Gerät oder Verbindung schlecht? Wir helfen!
Bereits im August begann die Schule, den Erwerb von mobilen Endgeräten (Notebooks) zu forcieren. Mittlerweile sind aus den Mitteln des Digitalpakts 61 Notebooks angeschafft worden, von denen derzeit 21 an Schülerinnen und Schüler für den Online-Unterricht verliehen sind. Hier sind aktuell noch Kapazitäten vorhanden – zögern Sie also nicht, im Schulbüro nachzufragen! Seit wenigen Tagen sind zudem in beschränktem Umfang LTE-Sticks der Deutschen Telekom für Schülerinnen und Schüler verfügbar. Hiermit erhalten Sie für den Online-Unterricht eine schnelle Internetverbindung über das Mobilfunknetz, sollte diese an Ihrem Wohnort nur unzureichend verfügbar sein. Die Sticks können nur gemeinsam mit einem Schulgerät verliehen werden. Ein umfangreicher Leihvertrag regelt die Formalitäten, wobei auch der Aspekt der Bedürftigkeit gegeben sein muss. Die Kosten für die LTE-Sticks werden vom Trägerverein der Schule übernommen.
Da sich das zukünftige Konzept der Schule in puncto Medienbildung und Informationstechnik auch verstärkt auf Dinge wie Video- und Audioproduktion richten soll, verfügt die Schule aktuell über ein (vorerst mobiles) „Studio“, ausgestattet mit moderner Aufnahme-, Ton- und Beleuchtungstechnik. Von hier aus wurden bereits Online-Infoabende gestreamt oder ein Film-Workshop für Schülerinnen und Schüler während der Projektwoche im Oktober abgehalten.
Klassenzimmer hybrid – was ist das?
Dass in den meisten Schulen die Klassenzimmer, zumindest ab einer gewissen Jahrgangsstufe, mit Beamer und Lautsprecherboxen ausgestattet sind, ist mittlerweile fast selbstverständlich. Nachdem die Waldorfschule Chemnitz hier in den letzten Jahren etwas hinterherhinkte, schlug man nun während der Pandemie quasi zwei Fliegen mit einer Klappe.
So stand nach der zweiten Corona-Welle die Notwendigkeit für Unterricht im „Wechselmodell“ im Raum. Wenn nun aber die Hälfte der Klasse zu Hause sitzt, so könnte man diese auch live in das Klassenzimmer zuschalten. Die Idee des Hybrid-Unterrichts meint genau das. Technisch gesehen braucht man dafür – neben Beamer und Boxen – eine leistungsfähige Webcam, ein gutes Ansteckmikrofon für die Lehrerin bzw. den Lehrer, ggf. eine Dokumentenkamera und eine möglichst einfache Bedienbarkeit im Sinne von Plug and Play. All das wurde im März dieses Jahres für mehrere Räume im Oberstufengebäude der Sandstraße als Festinstallation realisiert. Hinzu kamen mobile Lösungen für die Mittelstufenklassen. Unterstützung hatten wir hierbei von Bühnentechnikern der Stadthalle Limbach-Oberfrohna.
Zukunft Schüler-Cloud – vernetzt geht’s besser
Es waren vor allem die wechselhaften Erfahrungen mit der Plattform LernSax, die schließlich im April 2021 dazu führten, die Idee eines eigenen Schüler-Netzwerks, der Schüler-Cloud, voranzutreiben. Wie schon bei den vielen anderen der genannten Projekte ist Konstantin Lohmann von CCW hier kräftig dabei, das System – aktuell noch in der Test-Phase – stetig weiterzuentwickeln und zu verbessern. Die Schüler-Cloud soll gleich mehrere Aufgabenbereiche abdecken. Zum einen kann sie als schnelles und datenschutzkonformes Kommunikationsmittel, vor allem über Smartphone und Co. dienen. Ein eigener Messenger ermöglicht Einzel- und Gruppennachrichten in Echtzeit à la WhatsApp. Zudem erhalten die Schülerinnen und Schüler eine eigene E-Mail-Adresse der Waldorfschule Chemnitz – was sicher auch zu mehr Identifikation mit ihrer Schule beitragen kann.
Zum anderen enthält das Schüler-Netzwerk ein echte Cloud-Lösung mit zahlreichen Funktionen. So können ganz klassisch eigene Dateien in der Cloud gespeichert und geteilt werden. Es gibt aber auch eine Umfragefunktion, einen Kalender, Gruppenordner sowie die Möglichkeit, gemeinsam an (Online-)Dokumenten, beispielsweise für eine Projekt- oder Gruppenarbeit, zu tüfteln. Zukünftig wird außerdem das Einloggen ins Schul-WLAN über den Zugang zur Schüler-Cloud möglich sein.
Aktuell testen einige Schülerinnen und Schüler der Oberstufe das neue System, das die freie Software „Nextcloud“ benutzt. Besonders haben wir uns über eine ausführliche Rückmeldung von Robin Diwisch aus der 13. Klasse gefreut. Er schreibt u.a.
Das grundlegende Design der Webseite sowie das App-Design finde ich absolut fantastisch. [. . .] Die „Dateiablage“-Funktion weist sehr viele Möglichkeiten auf und ist für den schulinternen Betrieb meiner Meinung nach besser geeignet als Google Drive (selbst wenn man den Datenschutz außer Acht lassen würde), da das Teilen von Dateien sehr einfach und schnell geht, Dateien zu Projekten hinzugefügt werden können und es die Funktion des „internen Links“ gibt.
– Robin Isaias Diwisch (13. Klasse) über die geplante Schüler-Cloud
Weitere Tests mit einzelnen Klassen werden im Mai beginnen, um Wünsche zu berücksichtigen und die Bedienbarkeit und Nützlichkeit des Systems im gegenseitigen Austausch weiter zu verbessern. Erste Treffen mit Schülern haben dazu bereits stattgefunden. Dennoch wird womöglich nicht jede Schülerin oder jeder Schüler sofort mit allen Feinheiten zurechtkommen wird. Ein Stück Medienbildung kann die Nutzung der Schüler-Cloud aber allemal sein. Schließlich sind derartige Systeme heutzutage bei vielen Arbeitgebern gang und gäbe. Und in puncto Datenschutz ist zu sagen: Die Daten werden lokal auf Servern in der Schule gespeichert. Auch unser Datenschutzbeauftragter Herr Bühse ist bei Vorhaben wie diesen natürlich mit im Boot.
Übrigens: die genannte Software „Nextcloud“ steht für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schule bereits seit September 2020 zur Verfügung. Und auch wir, die Kolleginnen und Kollegen tun im Umgang damit das, was die Schülerinnen und Schüler ebenfalls tun: wir lernen.
Fragen? Anregungen?
Liebe Eltern, liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Kolleginnen und Kollegen – Sie sehen, das Thema ist ein weites Feld. Wir würden gern mit Ihnen in einen weiteren Austausch kommen: Was ist gut, was kann verbessert werden und wo liegen womöglich Punkte, die komplett neu überarbeitet werden müssen. Schreiben Sie uns gern an schulentwicklung@waldorfschule-chemnitz.de. Vielen Dank!
Für technische Hilfestellungen können Sie sich außerdem an hilfe@waldorfschule-chemnitz.de wenden.
Ein Dank geht weiterhin an alle Menschen, die in irgendeiner Form an der Umsetzung der genannten Vorhaben beteiligt waren und sind, insbesondere an unseren Geschäftsführer Herrn Wolf.
Holger Hähnel