Historisches ausbauen, Neues schaffen
von Tina Mulholland
So verändert sich das Waldorfgelände in Borna
Auf unserem Gelände der Chemnitzer Waldorfschule an der Sandstraße im Stadtteil Borna, zieht nach den Sommerferien wieder der fröhliche, belebte Schulalltag ein. Hier geht es auch in Sachen Neu- und Umbau vorwärts. Noch herrscht Baustellenatmosphäre. Doch die Perspektiven machen schon jetzt Lust auf ein ganz neues Waldorferlebnis.
Der Umbau
Barbara Scharnweber, Handwerkslehrerin, bringt ihre Expertise seit mehr als 30 Jahren an der Waldorfschule in Chemnitz ein. Sie begleitet auch die umfangreichen Baumaßnahmen, die derzeit auf dem Gelände voranschreiten. Erinnert sich noch jemand an die ehemalige Umformstation? Klar, jahrelang stand das Stahlgussgebäude schließlich als Ruine direkt neben den Unterrichtshäusern unserer Schule. Nun wird in der historischen Hülle ein neuer Lernort geschaffen. Aus gutem und nachhaltigem Grund: Wichtig war es dabei, bereits bestehende Architektur zu nutzen, dem Charakter von Chemnitz als traditioneller Industriemetropole Rechnung zu tragen und einer Brache neue Inhalte und neues Leben einzuhauchen. Sehen wir es doch einfach als unseren Beitrag zum Chemnitzer Kulturhauptstadtjahr 2025! Ohne öffentliche Unterstützung und Fördermittel kann ein solches Vorhaben aber nicht gelingen. Dafür sind wir dankbar. Ebenso wie wir dankbar sind, wie sehr Sie, liebe Vorstandsmitglieder, liebe Eltern, uns bei dem Vorhaben unterstützten – besonders erwähnen wir an der Stelle Vorstandsmitglied Jürgen Mitterholzer für seine Bemühungen beim Grundstückserwerb.
Was hinter dem Umbau der einstigen Umformstation steht? Unsere Werkstätten sollten nach 30 Jahren endlich ein richtiges Fundament bekommen. Das war an der Zeit. Viele Träger unserer Schulidee haben sich mit dem Verbinden der Arbeits- und Schulwelt bereits auseinandergesetzt. Vier neue Klassenzimmer sollen im neuen Oberstufengebäude (liebevoll Würfel genannt) entstehen, dazu Extraeinrichtungen wie ein Medienlabor und natürlich brandneue und hochmoderne Sanitäranlagen. „Vor allem aber geht es bei dem Umbau darum, im alten Haus eine zeitgemäße, integrative Arbeit zu ermöglichen“, sagt Christian Wolf. „So können wir alle gemeinsam gespannt darauf sein, wie an diesem Ort Räume zur weiteren Förderung der Schülerinnen und Schüler entstehen.“
Etwa zwei bis drei Lernende pro Klasse benötigen an unserer Waldorfschule eine integrative Ausbildung. Sie bekommen künftig noch bessere Unterstützung bei ihrer Sprachentwicklung, können von den Techniken der Heileurythmie profitieren, erhalten weiterführende Lese-Rechtschreib-Förderungen oder Kunsttherapien. Mit Beendigung der Umbauarbeiten können Schülerinnen und Schüler aus dem Förderbereich an der Auerswalder Straße dann im neuen Gebäude auf der Sandstraße unterrichtet werden.
Der aktuelle Stand: Die einstige 2025 Quadratmeter umfassende Umformstation wurde entkernt. Nun kann die Etagenbelegung geplant werden. Barbara Scharnweber holt die Pläne raus: „Im Erdgeschoss sollen Holzwerkstätten und eine Korbflechterei untergebracht werden“, sagt sie. „In einem Anbau können die Schülerinnen und Schüler verschiedene Techniken in der Schmiede und beim Kupfertreiben kennenlernen.“ In der Etage obendrüber soll Kunst in Ateliers einziehen. Eine kleine Druckwerkstatt sowie Probenräume für das Klassenspiel runden dann das Kultur-Portfolio weiter ab. Bisher studierten die Schülerinnen und Schüler ihre Klassenspiele in der Turnhalle ein. „Zum Leidwesen der Sportlehrer…“, wie Barbara Scharnweber mit einem Schmunzeln auf den Lippen erzählt. Noch eine Etage über den Atelierräumen sollen künftig eine Weberei eingerichtet werden. Ein großzügiger Raum mit atemberaubender Empore macht schon jetzt Lust auf Ausstellungen, Vorträge, Konzerte, Präsentationen oder Filmvorführungen. All das soll in der Post-Coronazeit natürlich wieder möglich sein. Dazu soll Platz für 100 Stühle geschaffen werden. Die Möbel dafür können künftig platzsparend in einer Zwischenebene gelagert werden.
Der Neubau
Es bleibt aber nicht bei Umbauarbeiten. Denn gleich neben der einstigen Umformstation laufen eifrig die Bauarbeiten für einen ganz neuen Gebäudekomplex. Mit einem Verbinder soll dieser barrierefrei an das historische Fabrikgebäude angeschlossen werden. Apropos barrierefrei: Mit den niedrigschwelligen Erweiterungen schafft die Waldorfschule Chemnitz eine weitere Bildungseinrichtung (neben dem Gymnasium in Einsiedel), in der Kinder und Jugendliche mit körperlichen Beeinträchtigungen unkompliziert lernen können. Aufzüge, schwellenarme Raumverbindungen, breite Gänge und Türen machen es möglich. Baustart für das neu in den Himmel wachsende Gebäude war bereits im Sommer 2020. Im September 2022 soll der Neubau fertig sein. Ein Jahr später ist dann auch die Eröffnung der sanierten Umformstation als Schulhaus geplant. Den Neubau zeichnet aus, dass er als sogenanntes Plus-Energiehaus in Betrieb genommen wird. Hier entsteht künftig mehr Energie, als verbraucht wird – dank Photovoltaik und Solarthermie. „Mit dem überschüssigen Strom werden andere Ressourcen auf dem Gelände bedient, zum Beispiel die Küche oder das Hauslicht“, erklärt der Geschäftsführer. Ein weiterer Clou: Der Neubau bekommt eine automatische Be- und Entlüftung. So kann Wärme nicht mehr verloren gehen. Eine geregelte Sauerstoffversorgung sorgt immer für super Luft in den Klassenzimmern. Unliebsamer Zug durch unkontrolliert geöffnete Fenster fällt aus, abgestandene Luft in den Zimmern ist passé. Dafür sind Höchstleistungen beim Denken drin, denn Frischluft ist super für einen wachen Geist. Besondere Jalousien und ein ausgeklügelter Sonnenschutz verhindern zudem Überhitzung. Dem Raumklima hilft auch der durchdachte Transport von wahlweise kühler oder warmer Flüssigkeit in Rohren hinter den Wänden. Auf extra angebrachten Panels kann jeder Energetikinteressierte die aktuellen Verbrauchswerte genau studieren. Begleitet wird der energetische Baufortschritt exklusiv von Experten der Hochschule in Cottbus.
Das Umfeld
Und was wird aus den lieb gewonnenen und denkmalgeschützten Holzbauten auf der Sandstraße, die doch so charakteristisch für das Bornaer Waldorfschulen-Ensemble sind? Diese bekommen ebenso eine Frischkur verpasst. Auch sie werden energetisch und nachhaltig saniert, samt Barrierefreiheit, neuen Fenstern und Geräuschdämmung. Eine Heimat werden hier künftig die Förderklassen finden – so erhalten die Kinder mit besonderem Zuwendungsbedarf nicht nur ein geschütztes Umfeld, sondern auch einen besonders heimeligen Raum mit Herzenscharakter. Der Sportplatz der Waldorfschule Chemnitz wird derweil künftig komplett neugestaltet. Aus einer einfachen, benachbarten Wiese entsteht eine Sportanlage mit Applausfaktor. Laufbahn, Fußballfeld, Kugelstoßanlage, Weitsprunggrube und Tartanbahn animieren hier künftig zu Höchstleistungen. Da vergessen dann auch die Sportlehrerinnen und Lehrer, dass ihr Refugium so lange Zeit gleichsam Klassenspiel-Probenraum sein musste.
Zwischen den Gebäuden der Mittelstufe, der Oberstufe, dem Neubau und der Werkstatt wird dann noch ein neuer großzügiger Schulhof angelegt. Das aktuell etwas abschüssige Gelände wird begrünt und avanciert mittels gemütlicher Sitzgelegenheiten zu einem Schulhof zum Wohlfühlen. Und noch so viel mehr Ideen wollen anschließend umgesetzt werden! Zum Beispiel eine schuleigene Imkerei, ein Kräuter- und Gemüsegarten, vielleicht sogar eine eigene Anbindung an einen Fahrradweg. Bleiben wir alle gemeinsam dran, was Neues entstehen wird!
Wer sich für unsere Neu- und Umbauten, das Plus-Energiehaus-Konzept und die Ideenwerkstatt interessiert, ist herzlich am 22. September 2021, 17:00 Uhr zu einem Baustellenrundgang mit Frau Scharnweber eingeladen.
Bitte melden Sie sich unter info@waldorfschule-chemnitz.de an.